Donnerstag, 11. Juni 2009

Montag, 18. Mai 2009

Luther Blisset wird es dem Barca nicht verübeln.

13. Mai 2009: Eine entfesselte, ein geradezu irrwitzig aufspielende, von Verletzungssorgen gebeutelte Auswahl des FC Barcelona blamiert das mit großen Hoffnungen auf einen Titel nach Valencia angereiste Team von Athletic Bilbao. Das Ergebnis ist dabei völlig irrelevant. Das „Handbuch der Kommunikationsguerilla“ muss nach diesem Spiel neu geschrieben werden, wenn noch stimmt, dass der Pass beim Fußball Kommunikation (Brecht) ist. Luther Blisset wird es dem Barca nicht verübeln. Soweit so klar. Wäre da nicht die Vorgeschichte, vermutlich nicht mehr alle im Stadion kennen, zumindest nicht vom eigenen erleben.
24. September 1983: Der FC Barcelona und Athletic Bilbao spielen um die Copa del Rey. Nach einer Stunde Spielzeit, der Barca führt 2:0, der Ball fliegt aus Barças Strafraum in Richtung Mittellinie. Diego Armando Maradona spitzelte gerade noch den Ball zum Mitspieler, als in seinem Rücken Andoni Goikoetxea, das Bein ausstreckt, zu jenem Foul heranberserkt, von dem noch Jahre später viele immer wieder behaupten, es sei das furchtbarste Foul der Geschichte des Fußballs.
Maradona wird später sagen: „Ich spürte den Schlag, ich hörte das Geräusch wie das eines Holzes, das bricht“.
Als Maradona vom Platz getragen wird, ist es im Stadion totenstill. Maradona guckt in die Barceloneser Nacht, vom Schmerz betäubt und mit der Ungewissheit, was das alles jetzt bedeutet. Er wollte nur Fußball spielen. Seine Hände liegen über der wärmenden Decke.
Das medizinische Gutachten verhieß das Ende der Karriere eines der begnadetsten Fußballer aller Zeiten. Zertrümmerter Knochenhöcker am Wadenbein, das Außenband ist durchtrennt, das Fußgelenk ausgekugelt.
César Luis Menotti hat geweint, spricht in 60 Minuten Pressekonferenz nicht einmal über das Spiel oder das Ergebnis. Er referiert über Gewalt im Fußball. Oder besser: er fragt, was da passiert, ruft nach einer übergeordneten Ordnung: „Muss denn erst jemand sterben, ehe jemand etwas tut?“
Üble Fouls gehören leider immer wieder zur Geschichte des Fußballs. Nicht alle davon geschahen in grober Absicht. Als Rüdiger Schnuphase wie tot am Pfosten von Sparta Rotterdam lag, kam es zu Gewaltausbrüchen Jenaer Fans gegen den Mannschaftsbus der Rotterdamer. Die Bilder der Situation zeigen aber, dass dem Verteidiger keine Absicht zu unterstellen war. Und dennoch lag eine große Karriere in Trümmern.
Die Geschichte des Fouls von Goikoetxea ist eine andere. Sie war Konzept, blutiger Wille. Menotti: „Er gehört der Rasse der Antifußballer an.“ Und gleich noch mal: „Sie fressen nur, um zu scheißen.“
Man muss wahrlich kein Freund von Eduardo Galeano sein, aber dass seine These vom „vorsätzlichen Totschlag“ nicht mal juristisch geprüft wurde, ist ein Skandal.
Und na klar, öde Männlichkeitsformen gehören zum Fußball aller Tage. Oder zu dem, was für Fußball gehalten wird. Wenn Ronaldo in erbärmlichen Posen vor Freistößen sein Gemächt über dem Rasen lüftet, wünscht man sich ein Katapult zur Hand, etwas Treffsicherheit und rückwirkend eine Eintrittskarte zum entsprechenden Spiel. Geschenkt. Ihm bei seinen Verrichtungen zusehen zu müssen, verletzt unsere Sinne und übersteigt unsere Leidensfähigkeit, gewiss. Aber Ronaldo hat noch nicht versucht zu töten.

Aber es war nie nur die Frage einer vereinzelten Aktion. Es ist der historische Kontext, in dem sich alles vollzieht, die fußballerischen, politischen, soziokulturellen Zusammenhänge. Das Spiel Barcelona gegen Athletic war damals auch das Aufeinanderprallen konträrer Stilmittel und Konzeptionen: Hier der Boheme, Schöngeist und Revolutionär Menotti mit seinem linkem Diskurs, der dem damaligen Barca-Präsident Nunez auf die Frage, ob man nicht zu weich spiele, empört zurückschlonzte: „Holen Sie doch elf Boxer!“ Dort das an Soldaten-, Arbeiter- und damit eben an Männlichkeitsethos gemahnende Schlachtgeheul von Clemente: „Andoni war halt so. Der hat auch im Training zugelangt. Ohne böse Hintergedanken. Was meinst du, was ich für Tritte bekommen habe? Und wir waren, sind Freunde!“
Spanien selbst durchlebt eine politisierte Zeit. Acht Jahre zuvor hat Cruyff Franco erlegt. Barca und Athletic haben auf dem Fußballplatz eine Dominanz erlangt, von der sie mit Recht annehmen, dass diese unter dem Joch der Diktatur verhindert wurde. Athletic und Barca waren, mit dem Schriftsteller Montalban gesprochen, zu „symbolischen Heeren an den Rändern Spaniens“ geworden.
Vier Tage nach dem Mordversuch an Maradona schnürt Goikoetxea wieder dieselben Schuhe, mit denen er Maradonas Knöchel zertrümmert hatte und macht im Uefa-Pokal das Spiel seines Lebens und ein Tor. Die Kameraden tragen ihn auf Schultern vom Platz. „Ich habe den Aufschrei des baskischen Volkes gehört.“ So badet es sich eben in Volkes Mitte.
Dazu gibt es nicht weiter zu sagen.
13. Mai 2009: Eine entfesselte, ein geradezu irrwitzig aufspielende, von Verletzungssorgen gebeutelte Auswahl des FC Barcelona blamiert das mit großen Hoffnungen auf einen Titel nach Valencia angereiste Team von Athletic Bilbao. Das Ergebnis ist dabei völlig irrelevant. Das „Handbuch der Kommunikationsguerilla“ muss nach diesem Spiel neu geschrieben werden, wenn noch stimmt, dass der Pass beim Fußball Kommunikation (Brecht) ist. Luther Blisset wird es dem Barca nicht verübeln. Traurig ist nur, das die Zehntausende die in Barcelona nach jedem Titel auf der Strasse sind Luther Blisset nicht kennen.
13. Mai 2009: Auf den Tag genau 25 Jahre ist es her, als der Weltfußball Abschied nahm. Johann Cruyff beendete seine atemberaubende Karriere, nicht so sehr der Titel wegen, sondern der Leichtigkeit und der revolutionären Phantasie wegen, mit der er den Fußball neu erfand. Er wurde zum Henker von Franco, wenngleich es zum hängen des Systems allein nicht reichte.

Donnerstag, 7. Mai 2009

Geschüttelt nicht gerührt II

In dunklen Hinterzimmern, selbstredend nicht verraucht, trifft sich der Club der Abergläubigen, oder besser – dort sollten sie sich treffen, ginge es nach mir und den längst postulierten Zielen bürgerlicher Revolutionen.
Aber während die Hinterzimmer verwaist vor sich hin stauben, und sich hin und wieder nur das Gekrächze eines Kolkraben erahnen lässt, quakt es aus Sakralbauten, die ungefähr genauso aussehen, wie sie sich anhören: Sakralbauten. Schlimm Schlimm! Aber noch immer nicht die Krone der Idiotie!
Neben den religiösen Verwerfungen kommt es aber darüber hinaus in meinem Alltag immer wieder zu öffentlich geäußertem quasireligiösen Unfug. Dieser richtet sich dann mit aller Verachtung gegen Nichtdummes, Brauchbares und manchmal Wertvolles.
Zum Beispiel gegen die "Schulmedizin". Sein Arzt sei so ein furchtbarer Schulmediziner, sagte neulich unaufgefordert ein Nachbar zu mir. Ich wollte durch hastiges Vorbeieilen dem Malheur widerlichster Kommunikation entgehen, aber der Volksmund war schneller: „Ich wünsche mir jemanden, der einen ganzheitlichen Ansatz hat und mich natürlich behandelt.“
Wie durch ein Wunder erbrach ich mich nicht im Treppenhaus. Ich erfuhr, dass man Antidepressiva in Kreisen der Naturtypen wie mein Nachbar einer zu sein scheint, nur noch als "Psycho-Hammer" kennt. Wird jemandem im Krankenwagen, im Krankenhaus oder in der Notaufnahme das Leben gerettet, "hängt er an Schläuchen und Kabeln", obwohl die Patienten dort in der Regel liegend untergebracht sind. Und eine Operation ist natürlich nicht deshalb nötig, weil sie Hilfe für die Erkrankten bringt, sondern nur, "weil Ärzte operieren und ihren Katalog vollbekommen müssen". Was denn für einen Katalog? Und ist ein Katalog nicht von Anfang an „voll“?
Dass dieses noch nicht das Ende eines erbärmlichen Gespräches ist, weiß jeder, der in der BRD Nachbarn, Kollegen oder Mitfahrer im öffentlichen Nahverkehr hat. Zur religiösen Ersatzhandlung wird das Einführen „pflanzlicher Arzneimittel,“ und der Hohepriester der ganzheitlichen Gesundheit überreicht das Kraut wie eine Hostie.
Obwohl Johanniskraut, Baldrian und Baldrian längst millionenfach über den Apothekentresen gehen und industriell gefertigt und abgepackt werden, bleibt beim Käufer die Illusion, eine Kräuterhexe, ein Druide oder das Dalai Lama habe das heilige Kraut persönlich für sie mit der Sichel von Stängel oder Stamm geköpft und naturtrüb in Ampulle oder Tablette gepresst.
Manchmal möchte man diesen Graswurzelfaschisten einen pharmakologischen Anfängerkurs an den Hals wünschen, in dem sie erfahren, was die garstige Schulmedizin für Pfeile im Köcher hat. Es reicht auch der Blick ins Internet, hier kurz ein paar schnell recherchierte Ergebnisse:
Acetylsalicylsäure, wird von der aus anderen Gründen mafiösen Pharmaindustrie als Aspirin in den Apotheken dieser Welt verhökert.
Die meisten Antibiotika stammen aus Pilzen. Die Eibe, quasi Natur pur, liefert Taxane, mit der die Schulmedizin recht erfolgreich verschiedene Krebserkranken bekämpft, im Fingerhut befindet sich Zeuchs, welches bei Herzerkrankungen eingesetzt wird: von der Schulmedizin.
Der Homöopath auf seiner naturbelassenen Scholle dagegen erscheint im Zweifel im bunteren Stoff und mit jauchiger Stimme. Und sonst? Bunte Naturpillen vollgepropft mit Naturstoffen wie Arsen, Blei, giftige Metalle, oder ein Kraut namens, ein Dank dem Weltgeist, Brechnuss, welches Strychnin enthält.
Mein Nachbar antwortet gekonnt: „Die Verdünnung bei den Naturburschen ist so groß, dass eh kein Molekül mehr in den Kügelchen enthalten ist.“ Aber es ist grausamer Schwachsinn: Es kam schon zu Strychninvergiftungen, weil die Verdünnung zu niedrig ausgefallen war. Und mal ganz ehrlich, wenn eh kein Molekül mehr im Kügelchen ist, für was denn dann der ganze Zinnober?

Die Sehnsucht des Volkes zum Natürlichen ist da ungebrochen, wo Vernunft sich dem Gefühl zu beugen hat. Gekreuzt mit dem Verdacht gegen alles industriell und entfremdet Hergestelltem, halt jenem Gegenpol zum schollenbäuerlich und arbeitsdumm von Frühbisspäterzeugtem, ergibt sich die grauenvolle Subtanz, die unter dem begriff des „Volksdeutschen“ firmiert.

Wozu gibt’s eigentlich Hinterzimmer?

Montag, 19. Januar 2009

Geschüttelt nicht gerührt

Hat Mami vor 15 Jahren noch den Homöopathen ihres Vertrauens per Mund-zu-Mund-Propaganda auf dem Spielplatz weitergereicht, ist das heute nicht mehr nötig: praktizierende ÄrztInnen verschreiben homöopathische Medizin, in den Apotheken stehen die bunten Kügelchen gleich neben der Kasse. Was jede (Mittelschichts-)Mama längst weiß: bei unseren Kleinen hilft die Homöopathie besonders gut und rückstandsfrei. Ist was Pflanzliches halt. Also was Natürliches und deswegen auch von der Pharmaindustrie bekämpft. Wie die kleine tapfere Frau auf der Straße nämlich schon längst erkannt hat, schrecken die Pharmahersteller vor nichts zurück, um ihre nichtsnutzigen, allenfalls krankmachenden Produkte an das unschuldige Kind zu bringen. Einen Schnupfen mit Antibiotika bekämpfen?? Ein paar homöopathische Kügelchen reichen da völlig aus!

Die hat Mama auf Vorrat in der Handtasche immer griffbereit – bei kleinen Alltagswehwehchen helfen sie bestens. Was sich unsere tapfere deutsche Mutter im Feldzug gegen Bayer&Co nie gefragt hat, ist erstens die genaue Wirkungsweise von homöopathischen Medikamenten und zweitens die Notwendigkeit der medizinischen Behandlung von Alltagswehwehchen. Für alle, die's nicht wissen: Homöopathie bedeutet die Verschüttelung einer pflanzlichen oder tierischen „Ursubstanz“ mit Alkohol (oder anderen Trägerstoffen), wobei sie dermaßen stark verdünnt wird (= “Potenzierung“), dass kein einziges Molekül der Ausgangssubstanz mehr nachweisbar ist. Die „heilende Information“ (Vorsicht: jetzt wird’s esoterisch) wird dabei auf den Trägerstoff übertragen, aber halt nur so rein energetisch und nicht materiell. Deswegen ist es auch wichtig, dass die Verschüttelungsarbeit per Hand und nur von einem Eingeweihten geleistet wird. Wer's also richtig ernst meint, darf nicht die Billighomöopathie von der Stange kaufen (am Ende wurden die nämlich nur von kalten toten Maschinen verschüttelt), sondern muss sein Mittelchen frisch und maßgeschneidert herstellen lassen. Das kostet etwas mehr, aber die Heilenergie wird ja mitgeliefert und selbstverständlich verdient fast niemand etwas dran.

Wenden wir uns noch mal dem Schnupfen und anderen Alltagswehwehchen zu: Solche Krankheiten müssen eigentlich gar nicht behandelt werden! Die kindlichen Abwehrkräfte reichen völlig aus, um allein damit fertig zu werden, und die süßen Kügelchen (fürs Kind gibt es selbstverständlich keinen Alk, sondern Arznei auf Zuckerbasis) sind genauso potent wie eine Liebesperle: ihr nicht zu unterschätzender Effekt heißt Placebo, und keine homöopathischer Wirkungsweise konnte jemals über den Placeboeffekt hinaus belegt werden. Ist doch klar, antworten alle Hardcorehomöopathen: die Pharmaindustrie finanziert keine entsprechenden Studien! Das ist eine Lüge: seit den 90er Jahren wurden einige repräsentative Studien durchgeführt die immer wieder nur die Placebowirkung bestätigen konnten: bis zu 70 Prozent der placebobehandelten PatientInnen berichten über gute Heileffekte des „Medikaments“ ohne Wirkstoffe, die Genesungsrate ist mit oder ohne Verschüttelung dieselbe - 90 Prozent der Krankheiten verschwinden „von selbst“ wieder!

Bild: Die Homöopathie geht ohne Umstände in der nationalsozialistischen „Neuen deutsche Heilkunde“ auf und wirkt an der Gesundung des deutschen Volkskörpers mit. Hier gefeiert wird Samuel Hahnemann, der Begründer der 200 Jahre alten Homöopathie.

Den aufkommenden Brechreiz bekämpfe ich lieber mit Vomex als mit homöopathischen Kügelchen.


Dienstag, 2. Dezember 2008

"If i can`t see the Frank on the bench, I don`t want to be in your revolution" oder die "Frank-Barca-Lüge"

“Guardiola-Revolución” oder “Pep Show Boys” sind zwei Headlines aus Barceloneser Sportzeitungen der letzten Wochen. Ja es hat sich einiges geändert, ja der Barca sieht anderes aus als die letzten Jahre, ja der Barca sieht wieder gut aus, der Barca riecht nach Arbeit, nach Fußballarbeit. Nach Kollektiv, Solidarität, Mannschaftsgeist, Disziplin, Regeln, Bescheidenheit, etc p.p. (alles O-Ton Guardiola).

Nachdem der Barca schon sehr oft in seiner Geschichte selbige geschrieben hat und sowohl im Politischen als auch im Fußballerischen den zivilisatorischen Fortschritt markierte (Rückschläge und Fehlentwicklungen eingeschlossen), hat der Barca unter Frank Rijkaard eine nie da gewesene Stufe der Entwicklung erreicht – ja quasi den Fußball vom Kopf auf die Füße gestellt.

Nun gab es damit allerdings ein Problem. In den fünf Jahren gewann der Barca nur zwei Ligen und eine Champions League – brillant in den Jahren 2005 und 2006 - die letzten beiden Jahre blieben titellos.

Ganz ehrlich: Klar ist nach all den verlorenen Jahren von Faschismus, Krieg und Real-Meisterschaften (also alles zusammen in diesem Fall) der Wunsch groß, endlich die Titel zu holen.


Dass die vereinigten Reaktionäre aller Länder dies durchkreuzen, indem sie die zarte Pflanze des Hedonismus zerstören, nachdem diese nur einen Sommer blühte, ist auch klar. ABER: was bleibt sind die Menschen und ihre Entwicklung, ihre Entfaltung, oder deren Begrenzung. Und dass Messi im November 2008 ein Interview im Kicker gibt, das voll kaum versteckter Achtung zu Frank schier überschäumt ist deshalb auch kein Zufall. Es ist der kurze Sommer – 17. Mai 2006, Gewinn der CL in Paris, ja in Paris - der wahrhaften, weil sich der Maschinerie der geschmacklosen Ergebnisheinis, brutalen Logik der Unterordnung und Gewalt widersetzenden, Anarchie, den wir ob seiner Kürze beklagen und manchmal übersehen, wie lange er doch Wirkung hatte. Nur vergleichbar zum Mythos Johann, den wir nie haben spielen sehen, der aber Real Madrid in jenem Herbst 1974 in Madrid mit 0:5 geschlagen hat und wie immer in der Halbzeit und nach dem Spiel eine Camel ohne Filter geraucht hat. Apropos Drogen: ich springe zurück zum Frank, der mehr als einmal mit der Bierdose im Teambus gesehen wurde und der von den Supps durchaus auch mal mit einem Transpi “You'll never smoke alone” begrüßt wurde.

Und deshalb ist die Frage: Was wollen wir? Titel ohne Revolution, oder nur in ihren übriggebliebenen Versatzstücken (Xavi, Messi, Iniesta, Etoo, Henry, Pujol, Bojan)? Oder nehmen wir die aktuellen Niederlagen (es sind die Siege nach Punkten) mit Guardiola hin, in dem Wissen, erlebt zu haben, Zeuge geworden zu sein, dass gehen kann, von dem die, sie seien noch mal zitiert, vereinigten Reaktionäre aller Länder, behaupten, dass es eben nicht geht.

Dass Guardiola wie ein billiges Abziehbild des einst so wenig beliebten Jose Mourinho (damals beim Chelsea FC) wirkt, gerät zur Randgeschichte, genau wie die Ereignisse der letzten fünf Jahre. Dass heute fast alle Spieler die Arbeitsmethoden und die Disziplin von Guardiola bevorzugen beweist nur, dass sie für die Freiheit noch nicht ganz so reif waren wie es schien. Dass Franks Barca ob der Resultate vom Guardiola immer weiter zurückgedrängt wird, bedeutet, dass wir irgendwann von der „Frank-Barca-Lüge“ reden werden müssen.

Donnerstag, 27. November 2008

Montessori und Mussolini: was geht zusammen?

Seit der PISA-Studie ist die Montessori-Pädagogik mal wieder in Mode gekommen. Scheinbar herumgesprochen hat sich in Eltern- und PädagogInnenkreisen, dass MontessorischülerInnen am Schuljahresende besser abschneiden als ihre KonkurrentInnen aus den "normalen" Schulen. Montessori? Irgendwie war mir das noch ein Begriff aus meinen Studienzeiten. Aber war da nicht was zwischen Montessori und Mussolini?? Das will ich näher wissen und dank Internet ist es nicht nötig, die Unibibliothek von früher aufzusuchen. Also schau ich erstmal nach, was Montessoripädagogik überhaupt so macht. Vielleicht hatte ich ja mal wieder viel zu schnell was Schlechtes gedacht. Hmmm: ich lese von "individueller Förderung", "Freiraum", "sebstbestimmtem
Wissenserwerb", "Selbstregulation des Lernens", "Polarisation der Aufmerksamkeit" und "Selbstständigkeit". Mathematik und Naturwissenschaften werden besonders gefördert.
Klingt ja alles recht vernünftig, denke ich, von ideologischem Ballast ist hier wenig zu spüren. Was dann allerdings doch etwas seltsam ist, ist die "Kosmische Erziehung". Jeder Mensch soll einen (natürlich von Gott) vorherbestimmten Platz im Universum haben, von dem aus er dann an der "Vollendung der Schöpfung" mit herumwerkeln darf. Sie war halt eine tiefgläubige Katholikin, die Maria Montessori. Aber in den Schulen ist das ja wohl nicht so staatstragend. Apropos staatstragend: ist denn nun was dran an der angeblichen Verbindung Montessori - Mussolini? Schwer vorstellbar - der Typ war ein militanter Antiklerikaler. Ich schaue mal beim Deutschen Montessori-Dachverband nach, da müsste es ja stehen: http://www.montessori-deutschland.de/ Im Montessori-Lebenslauf nichts Verdächtiges. Bei anderen Seiten über Montessori-Einrichtungen: wieder nichts Verdächtiges. Bei einer steht sogar, dass sie wegen Konflikten mit Mussolini emigrieren musste. Sollte doch alles nur ein böser Verdacht sein? Hier: bei Wikipedia gibt es Hinweise auf intensive Kontakte zwischen den beiden, und mehr noch: Mussolini machte die Montessori-Pädagogik einst zur offiziellen Bildungslinie. Konflikte gab es erst als Mussolini auf Uniformzwang und Faschistengruß in der Schule bestand. Soweit das Internet, die Gründe für das Zusammengehen von Faschismus und einer entschieden freiheitlichen Pädagogik muss ich mir wohl selber zusammenreimen. Wie war Mussolinis Faschismus überhaupt? Antiklerikal (zumindest solange es eine programmatische Positionierung war), antimonarchistisch auch. Sein Programm war mächtig umstürzlerisch, was ihm viel Zulauf aus allerhand rebellischen Kreisen gebracht hat. Überhaupt war er ja zuerst ein Linker, was sich erst nach einem Zerwürfnis mit seiner Partei geändert hat: in ultranationalistischen Tönen rief er zum Kriegseintritt Italiens auf. Seine kriegerischen Sturm- und Drangpläne hörten sich auch für viele KünsterInnen und Intellektuelle gut an, die von nationaler Erneuerung und Abwerfen des jahrhundertealten italienischen (Kunst- und Kultur-)Ballasts träumten.
Die berühmteste Kunstströmung faschistischer Ausrichtung ist der Futurismus. Auch Maria Montessori träumte von der großen gesellschaftlichen Erneuerung (vielleicht nicht in extrem nationalem faschistischem Sinne, aber dennoch gab es keine grundlegende Kritik) und ihre radikale Pädagogik war bestens geeignet, neue Inhalte an das junge Staatsvolk heranzutragen. Als Mussolini an die Macht kam, sah die ehrgeizige, bereits international bekannte Pädagogin ihre Stunde gekommen und hat von sich aus das Gespräch mit dem Duce gesucht. Ob die Montessori-Pädagogik sich eignet, um kleine FaschistInnen heranzuziehen, will ich dahingestellt sein lassen. Aber die Freiheitlichkeit der Methoden macht noch keinen Inhalt aus, eine einheitliche ideologische Orientierung fehlt. Darum haben Motessori-Einrichtungen sehr unterschiedliche TrägerInnen und InteressentInnen: die Kirche, den Staat, Elterninitiativen, Sozialisten und Faschisten. Aber leider ist das für den Montessori-Dachberband und viele am Fortkommen ihrer Sprösslinge interessierte Eltern alles ziemlich langweilig, denn den Eliten von morgen ist es egal, was gestern war.

P.S. Apropos Eliten von morgen. Diese sollen ja verschiedenen Studien zufolge in naher Zukunft weder hegemonial "weiß" noch "männlich" sein. Mal abgesehen davon, dass mir die Welt nicht bekannt ist, für die diese Studien gelten sollen (Eliten sind mehr als nur Präsidenten der USA) wäre das ja unter anderem ein riesiger Erfolg der Frauenbewegung. Auch der deutschen. Und wer, ihr erratet es längst, ist eine Ikone der deutschen Frauenbewegung? Richtig! Maria Montessori. Dies nun ist wiederum eher schlüssig. Erinnert sei daran, mit welchem Phatos und Enthusiasmus sich die deutsche Frauenbewegung (bürgerlich und proletarisch) in die volksdeutsche integrierte. Und: Diesen Teil ihrer Geschichte bis heute nicht aufarbeitet. Jedenfalls nicht in dem Maße,
mit dem dies passieren müsste, wollte sie mit Recht von sich behaupten, emanzipatorisch zu sein.

Mittwoch, 17. September 2008

Volksdummheiten (II)

So genannte Volksweisheiten, Sinnsprüche, etc. haben sich über Jahrhunderte tief in der Seele des deutschen Volkes erhalten. Dabei werden Arbeit und Ehrlichkeit abgefeiert und komplizierte gesellschaftliche Zusammenhänge extrem simplifiziert. Diese Dummheiten sind auch nicht frei von Rachegedanken und nationalistischem und rassistischem Gedankengut. Wissenschaftlich sind diese „Volksgeisteblitze“ nicht haltbar.
Hauptakteure in diesem Geflecht aus Dummheiten und Lügen sind auf der einen Seite „mir“, „uns“ und „der kleine Mann auf der Straße“ und auf der anderen Seite, „die“, „se“ und „die da oben“.

Heute: Wer feiern kann kann auch arbeiten

Mit Sicherheit einer der dümmsten Sprüche der einem so unter kommen kann und vor allem so falsch. Rein empirisch sollte doch jeder Mensch wissen, das es nach einer durchzechten Nacht einem sehr sehr übel ankommt, morgens um 6:00 bei der Schicht oder um 8:00 im Büro zu erscheinen, geschweige denn auch noch ordnungsgemäß seinen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nachzukommen. Selbst das sehr viel erträglichere „so zu tun, als ob man beim Wachstum des Bruttosozialprodukts seinen Anteil zu leisten erachte“, wird durch den Zustand des ausgezehrten eigenen Körpers verunmöglicht.

Immer wird dieser Spruch mit einem missbilligenden Unterton abgesondert. Man muss daraus schließen, das der Zecher etwas prinzipiell Unehrenhaftes oder Unredliches tut, vor allem aber keinen Grund hat, der Arbeit fernzubleiben oder einmal auf der Arbeit erschienen, keine Müdigkeit vorschützen darf, da es ihm ja ganz offensichtlich so gut geht, das er sich des Nachts herumtreiben kann.

Die Arbeit bleibt die große Konstante im Leben des Deutschen, das Fernbleiben darf das Individuum niemals eigenständig entscheiden, sondern es unterliegt immer gesellschaftlicher Repression, nicht umsonst ist Deutschland eines der Länder der EU die den niedrigsten Krankenstand hat – der „Gelbe-Zettel-Urlaub“ ist gesellschaftlich schon lange nicht mehr en vogue und war es wohl auch nie.

Ausnahmen werden immer im deutschen Kollektiv entschieden und sind national bestimmt. Denn wenn es dem deutschen Patrioten zupass kommt, wird das Regelwerk schon mal modifiziert – wie zuletzt zur EM 2008. Tausende Unternehmen ließen die Spätschicht ausfallen, damit die Angestellten und Arbeiter ihrer Nationalmannschaft zugucken konnten. Der Einzelne darf das nicht entscheiden, aber hier wurden in volkswirtschaftlich relevanten Größenordnungen Produktionseinheiten weggeschmissen.

Aber macht doch was ihr wollt, geht auf Arbeit oder sonst wohin. Wir stattdessen heben noch einen auf den Genuss, den Gelben Urlaubszettel für Morgen schon in der Tasche. Und wenn ihr bruttosozialproduktet, drehen wir uns nochmal im Bett um oder sitzen verrauscht und verkatert im Flieger nach irgendwohin (schon klar, es ist dann letztlich doch wieder das NOU CAMP), um WIRKLICH Fussball zu gucken.

Mittwoch, 3. September 2008

Volksdummheiten (I)

So genannte Volksweisheiten, Sinnsprüche, etc. haben sich über Jahrhunderte tief in der Seele des deutschen Volkes erhalten. Dabei werden Arbeit und Ehrlichkeit abgefeiert und komplizierte gesellschaftliche Zusammenhänge extrem simplifiziert. Diese Dummheiten sind auch nicht frei von Rachegedanken und nationalistischem und rassistischem Gedankengut. Wissenschaftlich sind diese „Volksgeisteblitze“ nicht haltbar.
Hauptakteure in diesem Geflecht aus Dummheiten und Lügen sind auf der einen Seite „mir“, „uns“ und „der kleine Mann auf der Straße“ und auf der anderen Seite, „die“, „se“ und „die da oben“.

Heute: Der kleine Mann auf der Straße – auch mir und uns

Der kleine Mann auf der Straße ist der immer Betrogene und der ewig zu kurz Gekommene der immer alles zahlt, da schließlich immer die kleinen Leute (Männer!) alles zahlen. Er weiß was eigentlich in Wirklichkeit abgeht, aber keiner hören will, z.B. das Wirtschaft und Politik unter einer Decke stecken.
Er geht davon aus, das früher alles besser war, heute wird aber alles immer schlechter. Der kleine Mann auf der Straße hat gar nichts zu sagen, seine Stimme hat noch nie etwas gezählt, er empfindet sich als Stimmvieh. Er geht nicht wählen, da „se“ ja sowieso alle das gleiche machen. Er fühlt sich von „denen da oben“ ausgenommen, wie eine Weihnachtsgans. Der kleine Mann auf der Straße hat noch vor wenigen Jahren 1,30 DM (DM und nicht Teuro!) für einen Liter Benzin bezahlt. Er verflucht den Euro denn jetzt kostet ja alles so viel wie früher nur doppelt so viel – er geht nicht von einer realen jährlichen Inflation sondern von einer 100%igen Verteuerung aus. Dabei will man doch einfach nur sein Leben leben. Da der kleine Mann auf der Straße gegen die Großkopferten ist hält er zu kleinen deutschen (Arbeiter)Vereinen wie 60, St. Pauli, RW Essen, OFC und andere. Im Europapokal hält er natürlich zu allen deutschen Vereinen. Der kleine Mann
von der Straße traut sich nicht seinen Nationalstolz zu zeigen sondern meckert hinter vorgehaltener Hand, das „mir“ immer noch für damals zahlen, denn einmal muss doch Schluss sein und schließlich was die Juden heute mit den Palästinensern machen, also…
Gleichzeitig weiß er das seit den Neunzigern spätesten aber seit der WM 2006 er auch wieder in der Öffentlichkeit seinen Nationalstolz zeigen kann und darauf ist er echt stolz. Diese Gefühle teilt er mit der großen deutschen nicht rauchende Frau.
Eines wird sich aber nie ändern, er wird im Ausland abgezockt und sogar als Deutscher beschimpft und beleidigt. Dabei war er aber noch nie im Ausland, da es ihn gar nicht interessiert, heute kann er es sich nicht mehr leisten.
Privat verbringt er viel Zeit auf Balkonien – Urlaub!- wo er ein Wagenrad hängen hat. Er kann auf einen Bein nicht stehen und nimmt gerne mal ein Herrengedeck. Er grillt gerne und hat bei sich eine Sitzecke und Holzpanele eingebaut. In der Öffentlichkeit spricht er sehr laut in Mobiltelefone, so er sich die Tarife überhaupt noch leisten kann.
Der kleine Mann von der Straße sagt über moderne Kunst „Das kann ich auch!“

So lebt der kleine Mann auf der der Straße vor sich hin und ist manchmal reaktionär und manchmal progressiv, immer jedoch böse, gemein, engstirnig und kleinherzig, nie jedoch, liberal, großzügig und gut.

Samstag, 23. August 2008

Titanic zum 40. Jahrestages des Prager Frühlings

Heut' vor ca. 40 Jahren
fielen russische Tartaren
ein ins Land von Schwejk und Bier
mordeten Mensch, Land und Tier
gingen gar nicht wieder weg
alles lag in Schutt und Dreck.

Schließlich kam der freie Westen
alles drehte sich zum Besten
und recht ausnahmslos ums Geld.
Der ist arm, dem's nicht gefällt
und am Ende... Kommunist!
Freu dich, daß du klüger bist.