Donnerstag, 27. November 2008

Montessori und Mussolini: was geht zusammen?

Seit der PISA-Studie ist die Montessori-Pädagogik mal wieder in Mode gekommen. Scheinbar herumgesprochen hat sich in Eltern- und PädagogInnenkreisen, dass MontessorischülerInnen am Schuljahresende besser abschneiden als ihre KonkurrentInnen aus den "normalen" Schulen. Montessori? Irgendwie war mir das noch ein Begriff aus meinen Studienzeiten. Aber war da nicht was zwischen Montessori und Mussolini?? Das will ich näher wissen und dank Internet ist es nicht nötig, die Unibibliothek von früher aufzusuchen. Also schau ich erstmal nach, was Montessoripädagogik überhaupt so macht. Vielleicht hatte ich ja mal wieder viel zu schnell was Schlechtes gedacht. Hmmm: ich lese von "individueller Förderung", "Freiraum", "sebstbestimmtem
Wissenserwerb", "Selbstregulation des Lernens", "Polarisation der Aufmerksamkeit" und "Selbstständigkeit". Mathematik und Naturwissenschaften werden besonders gefördert.
Klingt ja alles recht vernünftig, denke ich, von ideologischem Ballast ist hier wenig zu spüren. Was dann allerdings doch etwas seltsam ist, ist die "Kosmische Erziehung". Jeder Mensch soll einen (natürlich von Gott) vorherbestimmten Platz im Universum haben, von dem aus er dann an der "Vollendung der Schöpfung" mit herumwerkeln darf. Sie war halt eine tiefgläubige Katholikin, die Maria Montessori. Aber in den Schulen ist das ja wohl nicht so staatstragend. Apropos staatstragend: ist denn nun was dran an der angeblichen Verbindung Montessori - Mussolini? Schwer vorstellbar - der Typ war ein militanter Antiklerikaler. Ich schaue mal beim Deutschen Montessori-Dachverband nach, da müsste es ja stehen: http://www.montessori-deutschland.de/ Im Montessori-Lebenslauf nichts Verdächtiges. Bei anderen Seiten über Montessori-Einrichtungen: wieder nichts Verdächtiges. Bei einer steht sogar, dass sie wegen Konflikten mit Mussolini emigrieren musste. Sollte doch alles nur ein böser Verdacht sein? Hier: bei Wikipedia gibt es Hinweise auf intensive Kontakte zwischen den beiden, und mehr noch: Mussolini machte die Montessori-Pädagogik einst zur offiziellen Bildungslinie. Konflikte gab es erst als Mussolini auf Uniformzwang und Faschistengruß in der Schule bestand. Soweit das Internet, die Gründe für das Zusammengehen von Faschismus und einer entschieden freiheitlichen Pädagogik muss ich mir wohl selber zusammenreimen. Wie war Mussolinis Faschismus überhaupt? Antiklerikal (zumindest solange es eine programmatische Positionierung war), antimonarchistisch auch. Sein Programm war mächtig umstürzlerisch, was ihm viel Zulauf aus allerhand rebellischen Kreisen gebracht hat. Überhaupt war er ja zuerst ein Linker, was sich erst nach einem Zerwürfnis mit seiner Partei geändert hat: in ultranationalistischen Tönen rief er zum Kriegseintritt Italiens auf. Seine kriegerischen Sturm- und Drangpläne hörten sich auch für viele KünsterInnen und Intellektuelle gut an, die von nationaler Erneuerung und Abwerfen des jahrhundertealten italienischen (Kunst- und Kultur-)Ballasts träumten.
Die berühmteste Kunstströmung faschistischer Ausrichtung ist der Futurismus. Auch Maria Montessori träumte von der großen gesellschaftlichen Erneuerung (vielleicht nicht in extrem nationalem faschistischem Sinne, aber dennoch gab es keine grundlegende Kritik) und ihre radikale Pädagogik war bestens geeignet, neue Inhalte an das junge Staatsvolk heranzutragen. Als Mussolini an die Macht kam, sah die ehrgeizige, bereits international bekannte Pädagogin ihre Stunde gekommen und hat von sich aus das Gespräch mit dem Duce gesucht. Ob die Montessori-Pädagogik sich eignet, um kleine FaschistInnen heranzuziehen, will ich dahingestellt sein lassen. Aber die Freiheitlichkeit der Methoden macht noch keinen Inhalt aus, eine einheitliche ideologische Orientierung fehlt. Darum haben Motessori-Einrichtungen sehr unterschiedliche TrägerInnen und InteressentInnen: die Kirche, den Staat, Elterninitiativen, Sozialisten und Faschisten. Aber leider ist das für den Montessori-Dachberband und viele am Fortkommen ihrer Sprösslinge interessierte Eltern alles ziemlich langweilig, denn den Eliten von morgen ist es egal, was gestern war.

P.S. Apropos Eliten von morgen. Diese sollen ja verschiedenen Studien zufolge in naher Zukunft weder hegemonial "weiß" noch "männlich" sein. Mal abgesehen davon, dass mir die Welt nicht bekannt ist, für die diese Studien gelten sollen (Eliten sind mehr als nur Präsidenten der USA) wäre das ja unter anderem ein riesiger Erfolg der Frauenbewegung. Auch der deutschen. Und wer, ihr erratet es längst, ist eine Ikone der deutschen Frauenbewegung? Richtig! Maria Montessori. Dies nun ist wiederum eher schlüssig. Erinnert sei daran, mit welchem Phatos und Enthusiasmus sich die deutsche Frauenbewegung (bürgerlich und proletarisch) in die volksdeutsche integrierte. Und: Diesen Teil ihrer Geschichte bis heute nicht aufarbeitet. Jedenfalls nicht in dem Maße,
mit dem dies passieren müsste, wollte sie mit Recht von sich behaupten, emanzipatorisch zu sein.