Mittwoch, 17. September 2008

Volksdummheiten (II)

So genannte Volksweisheiten, Sinnsprüche, etc. haben sich über Jahrhunderte tief in der Seele des deutschen Volkes erhalten. Dabei werden Arbeit und Ehrlichkeit abgefeiert und komplizierte gesellschaftliche Zusammenhänge extrem simplifiziert. Diese Dummheiten sind auch nicht frei von Rachegedanken und nationalistischem und rassistischem Gedankengut. Wissenschaftlich sind diese „Volksgeisteblitze“ nicht haltbar.
Hauptakteure in diesem Geflecht aus Dummheiten und Lügen sind auf der einen Seite „mir“, „uns“ und „der kleine Mann auf der Straße“ und auf der anderen Seite, „die“, „se“ und „die da oben“.

Heute: Wer feiern kann kann auch arbeiten

Mit Sicherheit einer der dümmsten Sprüche der einem so unter kommen kann und vor allem so falsch. Rein empirisch sollte doch jeder Mensch wissen, das es nach einer durchzechten Nacht einem sehr sehr übel ankommt, morgens um 6:00 bei der Schicht oder um 8:00 im Büro zu erscheinen, geschweige denn auch noch ordnungsgemäß seinen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nachzukommen. Selbst das sehr viel erträglichere „so zu tun, als ob man beim Wachstum des Bruttosozialprodukts seinen Anteil zu leisten erachte“, wird durch den Zustand des ausgezehrten eigenen Körpers verunmöglicht.

Immer wird dieser Spruch mit einem missbilligenden Unterton abgesondert. Man muss daraus schließen, das der Zecher etwas prinzipiell Unehrenhaftes oder Unredliches tut, vor allem aber keinen Grund hat, der Arbeit fernzubleiben oder einmal auf der Arbeit erschienen, keine Müdigkeit vorschützen darf, da es ihm ja ganz offensichtlich so gut geht, das er sich des Nachts herumtreiben kann.

Die Arbeit bleibt die große Konstante im Leben des Deutschen, das Fernbleiben darf das Individuum niemals eigenständig entscheiden, sondern es unterliegt immer gesellschaftlicher Repression, nicht umsonst ist Deutschland eines der Länder der EU die den niedrigsten Krankenstand hat – der „Gelbe-Zettel-Urlaub“ ist gesellschaftlich schon lange nicht mehr en vogue und war es wohl auch nie.

Ausnahmen werden immer im deutschen Kollektiv entschieden und sind national bestimmt. Denn wenn es dem deutschen Patrioten zupass kommt, wird das Regelwerk schon mal modifiziert – wie zuletzt zur EM 2008. Tausende Unternehmen ließen die Spätschicht ausfallen, damit die Angestellten und Arbeiter ihrer Nationalmannschaft zugucken konnten. Der Einzelne darf das nicht entscheiden, aber hier wurden in volkswirtschaftlich relevanten Größenordnungen Produktionseinheiten weggeschmissen.

Aber macht doch was ihr wollt, geht auf Arbeit oder sonst wohin. Wir stattdessen heben noch einen auf den Genuss, den Gelben Urlaubszettel für Morgen schon in der Tasche. Und wenn ihr bruttosozialproduktet, drehen wir uns nochmal im Bett um oder sitzen verrauscht und verkatert im Flieger nach irgendwohin (schon klar, es ist dann letztlich doch wieder das NOU CAMP), um WIRKLICH Fussball zu gucken.

Mittwoch, 3. September 2008

Volksdummheiten (I)

So genannte Volksweisheiten, Sinnsprüche, etc. haben sich über Jahrhunderte tief in der Seele des deutschen Volkes erhalten. Dabei werden Arbeit und Ehrlichkeit abgefeiert und komplizierte gesellschaftliche Zusammenhänge extrem simplifiziert. Diese Dummheiten sind auch nicht frei von Rachegedanken und nationalistischem und rassistischem Gedankengut. Wissenschaftlich sind diese „Volksgeisteblitze“ nicht haltbar.
Hauptakteure in diesem Geflecht aus Dummheiten und Lügen sind auf der einen Seite „mir“, „uns“ und „der kleine Mann auf der Straße“ und auf der anderen Seite, „die“, „se“ und „die da oben“.

Heute: Der kleine Mann auf der Straße – auch mir und uns

Der kleine Mann auf der Straße ist der immer Betrogene und der ewig zu kurz Gekommene der immer alles zahlt, da schließlich immer die kleinen Leute (Männer!) alles zahlen. Er weiß was eigentlich in Wirklichkeit abgeht, aber keiner hören will, z.B. das Wirtschaft und Politik unter einer Decke stecken.
Er geht davon aus, das früher alles besser war, heute wird aber alles immer schlechter. Der kleine Mann auf der Straße hat gar nichts zu sagen, seine Stimme hat noch nie etwas gezählt, er empfindet sich als Stimmvieh. Er geht nicht wählen, da „se“ ja sowieso alle das gleiche machen. Er fühlt sich von „denen da oben“ ausgenommen, wie eine Weihnachtsgans. Der kleine Mann auf der Straße hat noch vor wenigen Jahren 1,30 DM (DM und nicht Teuro!) für einen Liter Benzin bezahlt. Er verflucht den Euro denn jetzt kostet ja alles so viel wie früher nur doppelt so viel – er geht nicht von einer realen jährlichen Inflation sondern von einer 100%igen Verteuerung aus. Dabei will man doch einfach nur sein Leben leben. Da der kleine Mann auf der Straße gegen die Großkopferten ist hält er zu kleinen deutschen (Arbeiter)Vereinen wie 60, St. Pauli, RW Essen, OFC und andere. Im Europapokal hält er natürlich zu allen deutschen Vereinen. Der kleine Mann
von der Straße traut sich nicht seinen Nationalstolz zu zeigen sondern meckert hinter vorgehaltener Hand, das „mir“ immer noch für damals zahlen, denn einmal muss doch Schluss sein und schließlich was die Juden heute mit den Palästinensern machen, also…
Gleichzeitig weiß er das seit den Neunzigern spätesten aber seit der WM 2006 er auch wieder in der Öffentlichkeit seinen Nationalstolz zeigen kann und darauf ist er echt stolz. Diese Gefühle teilt er mit der großen deutschen nicht rauchende Frau.
Eines wird sich aber nie ändern, er wird im Ausland abgezockt und sogar als Deutscher beschimpft und beleidigt. Dabei war er aber noch nie im Ausland, da es ihn gar nicht interessiert, heute kann er es sich nicht mehr leisten.
Privat verbringt er viel Zeit auf Balkonien – Urlaub!- wo er ein Wagenrad hängen hat. Er kann auf einen Bein nicht stehen und nimmt gerne mal ein Herrengedeck. Er grillt gerne und hat bei sich eine Sitzecke und Holzpanele eingebaut. In der Öffentlichkeit spricht er sehr laut in Mobiltelefone, so er sich die Tarife überhaupt noch leisten kann.
Der kleine Mann von der Straße sagt über moderne Kunst „Das kann ich auch!“

So lebt der kleine Mann auf der der Straße vor sich hin und ist manchmal reaktionär und manchmal progressiv, immer jedoch böse, gemein, engstirnig und kleinherzig, nie jedoch, liberal, großzügig und gut.